69
Kommt, lasst uns zusammen essen und singen. Wir werden trinken und über unsere Feinde lachen.
Aus einer alten Ballade von Gurney Halleck
Der Computer-Allgeist ließ Paul aus der Ithaka zum kathedralenartigen Knotenpunkt des Maschinenimperiums holen. Die neuen Modelle der Roboterwachen schwärmten wie silbrige Insekten in den Korridoren aus. Einer von ihnen näherte sich Paul und sagte: »Folge uns zur Hauptkathedrale.«
Chani griff nach seinem Arm und hielt sich an ihm fest, als wären auch ihr plötzlich Metallhände gewachsen. »Ich werde dich nicht gehen lassen, Usul.«
Er musterte die mechanischen Wachen. »Wir können sie nicht davon abhalten, mich mitzunehmen«, sagte er zu ihr.
»Dann werde ich dich begleiten.« Er wollte ihr widersprechen, aber sie schnitt ihm das Wort ab. »Ich bin eine Fremenfrau. Willst du dich mir wirklich widersetzen? Du könntest genauso gut versuchen, diesen Maschinen Widerstand zu leisten.«
Mit einem unterdrückten Lächeln wandte er sich den Maschinen zu, die vor ihm klickten und flackerten. »Ich werde euch ohne Widerstand begleiten, aber nur, wenn Chani mitkommen darf.«
Jessica trat aus ihrem Quartier, in dem Alias Leiche auf dem schmalen Bett aufgebahrt lag, und stellte sich zwischen Paul und die Roboter. Ihre Kleidung wies Blutflecken auf. »Er ist mein Sohn. Ich habe heute schon eine Tochter verloren, und ich könnte es nicht ertragen, auch ihn zu verlieren. Ich komme ebenfalls mit.«
»Wir sind hier, um Paul Atreides in die Hauptkathedrale zu führen«, sagte einer der Roboter, dessen Gesicht wie starker Regen an einer Fensterscheibe auf Caladan floss. »Genauer wurde der Befehl nicht spezifiziert.«
Paul verstand die Antwort als Zustimmung. Aus irgendeinem Grund war Omnius an ihm interessiert, auch wenn seine Erinnerungen noch nicht erweckt worden waren. Alle anderen Passagiere und Besatzungsmitglieder waren offensichtlich nur überschüssiges Gepäck. War er von Anfang an das Ziel der Jagd gewesen? Wie konnte das sein? Hatten die Denkmaschinen irgendwie gewusst, dass er sich an Bord befand? Paul nahm Chanis Hand und sagte zu ihr: »Es wird bald vorbei sein, wie auch immer das Schicksal entscheiden mag. Die ganze Zeit hat unsere Bestimmung uns auf diesen Punkt hingeführt, wie eine Magnetbahn, die über die Schiene gleitet.«
»Wir werden es gemeinsam durchstehen, Geliebter«, sagte Chani.
Er wünschte sich, er könnte sich an die Jahre mit ihr erinnern ... und dass sie ebenfalls dazu imstande wäre.
»Was ist mit Duncan?«, fragte er. »Und Sheeana?«
»Wir müssen jetzt gehen«, sagten die Roboter im Chor. »Omnius wartet.«
»Duncan und Sheeana werden es früh genug erfahren«, sagte Jessica.
Bevor sie gingen, holte Paul das Crysmesser, das Chani für ihn gemacht hatte. Wie ein Fremen-Krieger trug er es stolz an der Hüfte. Obwohl er mit der Wurmzahnklinge nichts gegen die Denkmaschinen würde ausrichten können, fühlte er sich mit ihr mehr wie der legendäre Muad'dib – der Mann, der ein mächtiges Imperium besiegt hatte. Doch in seinem Geist sah er wieder die schrecklichen Bilder seiner Vision, die Erinnerung an die Vergangenheit oder die Zukunft, in der er an einem seltsamen Ort am Boden lag, tödlich verwundet, und zu einer jüngeren Version von sich selbst aufblickte, die triumphierend über ihn lachte.
Er blinzelte und versuchte sich wieder auf die Realität zu konzentrieren, nicht auf Möglichkeiten oder Vorsehungen. Er folgte den insektenartigen Robotern durch die Korridore und sagte sich, dass er auf alles vorbereitet war, was ihn erwarten mochte.
Bevor die Gholas das Schiff durch das Loch verlassen konnten, das die Maschinen in den Rumpf gebrochen hatten, versuchte sich Wellington Yueh an der Robotereskorte vorbeizudrängen. »Wartet! Ich will ... ich muss euch begleiten.« Er suchte nach einer Rechtfertigung. »Wenn jemand verletzt wird, bin ich der beste Suk-Arzt, der verfügbar ist. Ich kann helfen.« Er senkte die Stimme und flehte: »Der Baron wird anwesend sein, und er wird mich sehen wollen.«
Jessica, die immer noch mit der neuen Verletzung durch ihn rang, klang hart und verbittert. »Helfen? Hast du Alia helfen können?«
Als er diese Worte hörte, wirkte Yueh, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst.
»Lass ihn mitkommen, Mutter.« Paul hatte resigniert. »In der Jugend des ursprünglichen Paul war Dr. Yueh ein standhafter Helfer und Mentor. Ich würde keinen Verbündeten oder Zeugen ablehnen, wenn wir uns dem stellen, was kommen wird.«
Sie folgten den Robotern und traten auf fließende Wege hinaus, die sie wie schwebende Bodenplatten mit sich trugen. Fledermausartige Flugmaschinen zogen hoch über ihnen vorbei, und spiegelnde Wächteraugen huschten durch die Luft, um die Gruppe aus allen Winkeln zu beobachten. Hinter ihnen war das riesige Nicht-Schiff in die Maschinenmetropole integriert worden. Intelligente Metallgebäude in freier Architektur waren um den Rumpf der Ithaka herum emporgewachsen – wie Korallen, die ein altes Schiffswrack im Ozean von Caladan überwucherten. Die Gebäude schienen sich bei jedem flüchtigen Gedanken des Allgeistes zu verändern.
»Diese ganze Stadt lebt und denkt«, sagte Paul. »Alles ist eine wandelbare, sich anpassende Maschine.«
Leise zitierte seine Mutter: »Du sollst keine Maschine nach deinem geistigen Ebenbilde machen.«
Lautsprecher erschienen in den soliden silbrigen Wänden der hohen Gebäude, und eine künstliche Stimme wiederholte spöttisch Jessicas Worte. »Du sollst keine Maschine nach deinem geistigen Ebenbilde machen. Welch origineller Aberglaube!« Das Gelächter klang, als wäre es anderswo aufgezeichnet, seltsam verzerrt und rückwärts abgespielt worden. »Ich freue mich schon auf unsere Begegnung.«
Die Robotereskorte führte sie in ein gewaltiges Gebäude mit schimmernden Wänden, hohen Bögen und parkähnlichen Bereichen. Ein spektakulärer Springbrunnen spuckte heiße, rotglühende Lava in ein kühles Bassin.
Mitten in der großen Kathedralenhalle warteten ein älterer Mann und eine ältere Frau auf sie. Beide waren in weite, bequeme Gewänder gekleidet. Vor dem Hintergrund des riesigen Saals wirkten sie winzig und auf keinen Fall bedrohlich.
Paul beschloss, nicht zu warten, bis die anderen versuchten, sie mit Machtspielchen unter ihre Kontrolle bekommen. »Warum habt ihr mich hierher gebracht? Was wollt ihr?«
»Ich möchte dem Universum helfen.« Der alte Mann trat die Treppenstufen aus poliertem Stein herunter. »Wir befinden uns im Endkampf des Kralizec, an einer Wasserscheide, die das Universum für immer verändern wird. Alles, was vorher war, wird enden, und alles, was die Zukunft bringt, wird unter meiner Führung geschehen.«
Die alte Frau setzte eine Erklärung hinzu. »Denkt an das Chaos, das während der Jahrtausende eurer menschlichen Kultur vorgeherrscht hat. Geschöpfe wie ihr bereiten nur Ärger! Wir Denkmaschinen hätten alles wesentlich ordentlicher und effizienter regeln können. Wir haben von eurem Gottkaiser Leto II., der Diaspora und den Hungerjahren erfahren.«
»Zumindest hat er dreitausendfünfhundert Jahre lang für Frieden gesorgt«, bemerkte der alte Mann. »Seine Grundidee war gar nicht so falsch.«
»Mein Enkelsohn«, sagte Jessica. »Man nannte ihn den Tyrannen, weil er schwierige Entscheidungen treffen musste. Aber selbst er hat nicht so viel Schaden angerichtet wie die Denkmaschinen während Butlers Djihad.«
»Du machst es dir zu leicht mit der Schuldzuweisung. Haben wir Schaden und Zerstörung angerichtet, oder waren es Menschen wie Serena Butler? Über diesen Punkt müsste noch debattiert werden.« Unvermittelt warf die alte Frau ihre Maske ab, wie ein Reptil seine alte Haut. Das Flussmetallgesicht des Roboters – der jetzt eine männliche Gestalt hatte – zeigte ein breites Lächeln. »Von Anfang an standen Maschinen und Menschen miteinander im Konflikt, aber nur wir sind in der Lage, auf die lange Geschichte zurückzublicken, und nur wir können verstehen, was getan werden muss, um zu einer logischen Lösung zu gelangen. Ist das nicht eine gültige Analyse eures legendären Kralizec?«
»Nur eine Interpretation«, sagte Jessica.
»Aber die korrekte. Im Augenblick sind wir damit beschäftigt, einen Garten vom Unkraut zu befreien – eine passende Metapher. Dem Unkraut selbst gefällt es natürlich nicht, und der Boden könnte eine Zeit lang in Unordnung geraten, aber am Ende wird es dem Garten erheblich besser gehen. Maschinen und Menschen sind nicht mehr als Manifestationen eines langen Konflikts, über den schon eure antiken Philosophen geschrieben haben, den Kampf zwischen Herz und Geist.«
Omnius behielt seine Gestalt als alter Mann bei, da er keine andere vertraute körperliche Inkarnation hatte. »Im Alten Imperium versuchen viele Menschen, sich mit allem, was sie haben, uns entgegenzustellen. Doch es ist sinnlos, weil meine Gestaltwandler dafür gesorgt haben, dass ihre Waffen nicht funktionieren. Selbst die Navigationsmaschinen unterstehen meiner Kontrolle. Meine Flotte rückt bereits gegen Ordensburg vor.«
»Unser Schiff hatte sehr lange keinen Kontakt mehr mit der Gilde oder Ordensburg – länger, als ich lebe«, sagte Paul in wegwerfendem Tonfall. Er zeigte auf Chani, Jessica und Yueh, alle Gholas, die während der Flucht an Bord des Schiffes geboren worden waren. »Keiner von uns hat je das Alte Imperium gesehen.«
»Dann erlaubt mir, es euch zu zeigen.« Mit einer Handbewegung ließ der alte Mann ein komplexes Holobild erscheinen. Es zeigte Sterne und den derzeitigen Standort seiner gewaltigen Flotte. Paul war fassungslos über das Ausmaß der Kämpfe und Verwüstungen. Er glaubte nicht, dass der Allgeist übertreiben würde, wenn es um die Fortschritte der Maschinen ging. Omnius hatte es gar nicht nötig. Er hatte bereits Hunderte von Planeten zerstört oder versklavt.
Mit beschwichtigender Stimme sagte Erasmus: »Zum Glück wird der Krieg bald vorbei sein.«
Der alte Mann trat auf Paul zu. »Und nachdem ich dich jetzt habe, steht der Ausgang nicht mehr in Frage. Die mathematischen Extrapolationen zeigen, dass der Kwisatz Haderach die Schlacht am Ende des Universums entscheidet. Und da du und der andere jetzt meiner Macht unterstehen, werden wir den Konflikt beenden können.«
Erasmus trat vor, um Paul zu mustern, wie ein Wissenschaftler, der ein seltenes Exemplar untersucht. Seine optischen Fasern glitzerten. »Wir wissen, dass du das Potenzial in deinen Genen hast. Die Herausforderung besteht darin, festzustellen, welcher Paul Atreides der bessere Kwisatz Haderach sein wird.«